Ich oder die Mutter? IoPT, das Helfersyndrom und das Risiko der dauerhaften Abhängkeit.
Die IoPT besagt, dass nichts die menschliche Psyche so sehr prägt wie die Bindungsbeziehung zur Mutter. Heißt das aber, dass die Mutter die stärkste Kraft in der menschlichen Psyche und Existenz ist und bleibt? Meiner Meinung nach nicht. Das eigene gesunde Ich ist die stärkste Kraft oder kann die stärkste Kraft werden – vorausgesetzt man will das. Die IoPT spricht oft von der Mutter, die Auswirkungen von Bindungs-/Entwicklungstraumata sind bekannt. Es ist auch wichtig, sich über die symbiotische Verstrickung mit der Mutter bewusst zu werden, die man lösen kann und muss, wenn man den endlosen Kreislauf von Trigger, Übertragung, Reinszenierung und Retraumatisierung durchbrechen und sich in gesunden, konstruktiven Beziehungen im Außen wiederfinden will.
Was noch wenig bekannt und erforscht ist: das gesunde Ich! Es gibt in der IoPT gute und treffende Definitionen – diese werden aber der immensen Bedeutung des gesunden Ichs für die menschliche Existenz nicht gerecht. Ich weiß nicht, wie es Dir geht, ich bin immer noch oft sehr erstaunt, welche enorme Liebes- und Lebenskraft in meinem gesunden Ich verborgen ist. Wieviel Wissen, Weisheit und Bewusstheit. Ich weiß nicht, ob man das „wissenschaftlich“ erforschen kann, aber einen Versuch ist es sicher wert!
Wenn wir nun ständig und immer wieder betonen, wie wichtig und ausschlaggebend die Mutter für unsere Psyche und Entwicklung ist, besteht die Gefahr des Missverständnisses, dass die Mutter in unserer Vorstellung die letzte bestimmende Kraft der menschlichen Psyche und Existenz bleibt. Das Ziel von IoPT ist es aber gerade, die symbiotische Verstrickung mit der Mutter – und dem Vater – aufzulösen. IoPT-Moderatoren/Therapeuten müssen dies im Hinterkopf behalten und sich bewusst sein, dass sie keine dauerhaften Abhängigkeiten und Bindungen schaffen – weder zu ihnen noch zur IoPT als Methode/Ansatz, noch zu Gruppen. IoPT ist kein Selbstzweck. Sie dient dem Zweck der Selbstbefreiung.
Wolfgang Schmidbauer hat den Begriff „Helfersyndrom“ geprägt. In seinem Buch Hilflose Helfer geht es u.a. um das Verständnis narzisstischer Bedürfnisse und das Problem ihrer Nichterfüllung und Unterdrückung. Wenn Therapeuten, Coaches und Berater sich nicht bewusst sind, dass übermäßiges Helfen eine Folge von Traumata ist und dass insbesondere narzisstische Bedürftigkeit (d.h. der Wunsch nach Verschmelzung mit der Mutter bzw. das Bedürfnis, die Mutter steht mir als Kind zu 100 Prozent zur Verfügung) auf Klienten projiziert werden kann, birgt dies die Gefahr neuer Abhängigkeiten auf Seiten der Klienten – diesmal vom Therapeuten oder Coach. Die in der IoPT postulierte Bedeutung der Mutter für die menschliche Psyche kann so leicht zu einer Ausrede oder Vorwand werden, um Klienten auch ein Leben lang zu sich kommen zu lassen, weil die emotionale Abhängigkeit von der Mutter ja ohnehin nicht überwunden werden kann.
Aus meiner Erfahrung in der Arbeit mit Menschen in helfenden Berufen kann ich sagen, dass alle Menschen, die einen Großteil ihrer Zeit und Energie darauf verwenden, anderen zu helfen, mehr oder weniger vom Helfersyndrom betroffen sind. Ich bin da keine Ausnahme. Ich setze mich aber damit auseinander, weil ich eben keine neuen Abhängigkeiten schaffen will. Therapie und Coaching sehe ich nicht als Hobby oder Freizeitbeschäftigung. Es soll helfen, zu sich zu kommen. UNABHÄNGIG und SELBSTBESTIMMT zu werden ohne therapeutische Krücken und Methoden ein Leben lang. Das ICH soll der Referenzpunkt des Lebens werden – und kein Therapeut, keine Methode oder „Community“.
Mein Grundanliegen ist, dass ich mich vollkommen selbst befreie. Ich habe noch nichts gefunden, was mir dabei so sehr hilft wie der Ansatz der IoPT, die ich praktiziere, weil sie WIRKT und aus keinem anderen Grund. Ich glaube, dass Selbstbefreiung möglich ist – wenn man diese wirklich will und dafür hart und kontinuierlich arbeitet. Alles im Universum hat einen Anfang und ein Ende – so auch der Prozess der Selbstfindung und Heilung. Selbst wenn Selbstbefreiung nicht möglich sein sollte – ist sie denn nicht ein wünschenswertes Ziel? Nach fünf Jahren kontinuierlicher Arbeit mit der IoPT kann ich sagen, dass ich mich soweit sicher fühle in meinem Körper und in meiner Psyche, dass das Wort „Heilung“ für mich keine bloße Wunschvorstellung mehr ist. Die Büchse der Pandora leert sich, die Welle ebbt ab, es kommen nicht mehr so viele neue Themen auf nach Selbstbegegnungen. Es wird ruhiger und friedvoller. Also – es lohnt sich!
Wenn auch Du mein Grundanliegen teilst, Dich so weit zu befreien, wie es nur irgend geht, Du bereit bist für Veränderungen, Du wirklich leben, lieben und geliebt werden willst – dann melde Dich gerne und wir arbeiten zusammen!
Viele Grüße und bleib` bei Dir
Christian